Kolumne

Blick zu einer Ahnin

Die Äbtissin Katharina von Zimmern hat vor 500 Jahren die Fraumünsterabtei der Stadt Zürich übergeben. Ist sie eine Verräterin? Oder ist sie ein Vorbild?

Es scheint eine Premiere in der Kirchengeschichte zu sein: Eine Äbtissin gibt ihr Kloster auf – nicht irgendeines – die einflussreiche Fraumünsterabtei in Zürich – und das mitten in den Wirren der Reformationszeit. Ist das nicht Verrat?

Erst seit einigen Jahren sind die Scheinwerfer der Geschichtsschreibung auf diese Tat einer Frau gerichtet, auf die Äbtissin Katharina von Zimmern. 500 Jahre sind vergangen, seit sie die Schlüssel der Abtei an die Stadt Zürich übergeben hat, und aus diesem Anlass werden hier nun einige Gelegenheiten geboten, sich mit diesem Moment auseinanderzusetzen. Ich gebe zu: Als ich begann, mich mit Katharina von Zimmern auseinanderzusetzen, stellte sich mir tatsächlich anfänglich die Frage nach dem Verrat.

Heute stellt sich mir die Frage nicht mehr. Inzwischen sehe ich in Katharina vor allem ein Vorbild. Ein Vorbild dafür, was sein darf: Durch ihren Gewissensentscheid konnte sich ein Klosterort verwandeln, friedlich und ohne erbitterten Kampf, der Menschenleben kostet. Bei Katharina von Zimmern fliessen Kloster- und Ordensgeschichte, Stadt- und Reformations-geschichte, Frauen- und Emanzipationsgeschichte auf höchst anregende Weise zusammen.

Kirchliche Institutionen, die auf dem Prüfstand stehen. Traditionen, die sich wandeln. Es gibt sie, die Parallelen zwischen dem Damals und dem Heute. Katharina von Zimmern ist eine Einladung, uns von unseren Ahninnen und Ahnen heraus-fordern zu lassen.

Leserbrief

Die letzte Äbtissin des Fraumünsters soll ein Vorbild sein? Im Ernst? Katharina von Zimmern lebte dank ihrer adeligen Herkunft im Kloster Fraumünster ein feudales und nicht gerade christlich frommes Leben. Ausser man glaubt an jungfräuliche Geburten – sie hatte ein Kind während dieser Zeit. Dann hat sie sich ausbedungen, das Kloster nur im Gegenzug einer fürstlichen Abfindung der Stadt Zürich zu übergeben. Nur um kurz darauf eine ausgesprochene Kriegsgurgel und Mörder zu heiraten. Überhaupt hat sie der Sache der Frauen – die bis dahin immerhin innerhalb der Klöster wichtige und hohe Ämter einnehmen konnten – einen Bärendienst erwiesen. Jetzt blieb den Frauen nur noch zurück zur Familie oder Heirat. Kurz: Zurück an den Herd und dem Manne untertan.

Gila Poltéra, Zürich

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