Regionale Story

«Was machsch am Weekend?»

Gemütlich zusammensein und spannende Diskussionen führen: das bietet der Wochenend-Treffpunkt «solino».

Rund um den grossen Tisch sitzen zehn Personen, heute sind es neun Männer und eine Frau mittleren Alters, ein paar Senioren. Draussen ist es heiss, drinnen, der Raum ist in hellem Grün gehalten, etwas kühler. Die «solino»-Gäste erzählen, was ihnen dieser gemeinsame Tisch bedeutet: «Hier trifft man Leute und kann miteinander reden», sagt Felix. Ruth erzählt, dass sie jeden Sonntag hierherkommt: «Ich finde es schön hier, man kann zusammensein, etwas konsumieren, muss aber nicht.» Walti rühmt die Freundlichkeit der Pfarrei Herz-Jesu Wiedikon. Im Johanneum, ihrem Pfarreizentrum, ist das «solino» jeweils am Samstag, Sonntag sowie an vielen Feiertagen von 14 bis 20 Uhr eingemietet. «Wenn hier eine Firmung oder sonst etwas los ist, werden wir manchmal dazu eingeladen oder bekommen etwas vom Apero», erklärt Walti.

Das «solino» wurde vor 33 Jahren von Niklaus Zemp, dem damaligen Leiter der Dargebotenen Hand, initiiert und aufgebaut, erzählt Eva Haupt. Sie ist im Vorstand des Vereins «solino» engagiert und heute hier mit am Tisch. Zemp habe festgestellt, dass Anrufende bei der «Dargebotenen Hand 143» häufig am Wochenende und an Festtagen über ihre mangelnden Kontakte, über Alleinsein klagten. Daraus ist das Projekt «Wochenend-Stube» entstanden. Diese wurde 1991 im Brahmshof am Albisriederplatz als Treffpunkt gegen die Einsamkeit eröffnet. Später zog das Café unter dem neuen Namen «solino» weiter an den Schanzengraben. Seit dem Umzug 2017 ins Johanneum im Kreis 3 ist das «solino» stärker mit dem Quartier und der Pfarrei verbunden.

Ideen der Gäste umsetzen

«Ich lebe in einem Pflegheim», erzählt Martin. «Dort sind die Leute eher passiv und desinteressiert. Hier finde ich interessierte Menschen, mit denen es spannende Diskussionen gibt. Das geniesse ich.» Kürzlich sei ein Pfarrer von der reformierten Thomaskirche vorbeigekommen, er habe einen guten Impuls für die Gespräche gegeben. «Diese Idee kam von unseren Gästen: Ab und zu jemanden einladen für einen Input», sagt Eva Haupt. «Das haben wir im Vorstand aufgenommen und werden das wieder machen.» Jedoch der Vorschlag, einmal im Monat einen Spielenachmittag durchzuführen, das habe keinen Anklang gefunden, erinnert sie sich.

Dann diskutiert die Runde, wie es für jemand ist, der neu dazustösst. «Ist es nicht ein Problem, wenn wir da alle um einen Tisch sitzen?», will Eva Haupt wissen. «Als ich zum ersten Mal hierherkam, war der Tisch schon besetzt», wirft Edi ein. «Ich habe mich allein anderswo hingesetzt. Sofort kam eine Gastgeberin und hat mit mir geredet, das war super!» Später seien sie zusammen an den grossen Tisch gegangen, wo man sofort Platz machte. Es sei «extrem wichtig, wie wir hier diskutieren. Mit Respekt. Ich höre gerne andere Meinungen, ich kann ja meine eigene trotzdem behalten. Und manchmal merke ich, dass ich selber auf dem falschen Dampfer bin!»

Aktives Zuhören gefragt

Inzwischen sitzen drei Gäste an der Bar und scherzen: «Ich hätte gern einen Aperol Spritz! – Ich einen Hugo. – Und ich einen Champagner!» Alle lachen. Denn das Angebot im «solino» ist alkoholfrei. Monika schenkt Kaffee oder Cola aus, bietet eine Glace an und zieht den kleinen Betrag, den die Konsumation kostet, ein. Sie ist als Freiwillige dreimal im Monat im «solino» engagiert. «Meine Pensionierung fiel mitten in den Lockdown. Das war schrecklich, ich habe beruflich immer mit Menschen gearbeitet. Mir fehlte der Kontakt sehr.» Umso mehr ist sie glücklich mit ihrer Aufgabe im «solino», die sehr vielfältig sei und aktives Zuhören verlange. «Viele erzählen mir ihre Lebensgeschichten. Manchmal muss ich auch schlichten, wenn die Diskussion zu überborden droht ...» Damit sich die Gastgeberinnen und Gastgeber, wie die freiwillig Engagierten heissen, dabei auch sicher fühlen, haben sie regelmässig Weiterbildungen, Teamsitzungen sowie einen Ausflug oder ein Essen.

Finanziert wird das «solino» als soziokulturelle Institution zu einem grossen Teil vom Sozialdepartement der Stadt Zürich. Weitere Unterstützung erfolgt durch Spenden von Kirchen, Stiftungen und Einzelpersonen. Nebst den bisherigen Trägerinnen, der Dargebotenen Hand und Pro Senectute Zürich, sind neu auch die Spitex und das Rote Kreuz Zürich mit dabei. «Sie können unser Angebot gut in ihren Kreisen bekannt machen», freut sich Eva Haupt. Mit Freiwilligen ist das «solino» gut ausgestattet. Jedoch gibt es seit Corona und dem Umzug 2017 nach Wiedikon etwas weniger Gäste. Was sich jetzt ändern soll. Nebst den neuen Trägerinnen ist auch eine Tramplakat-Aktion angedacht, die den unkomplizierten Begegnungsort, der an Wochenenden und vielen Feiertagen offen ist, bekannter machen soll.

Olga beginnt, alles in Ordnung zu bringen. Ihre Schicht ist bald vorbei, ab 17 Uhr übernehmen Margrit und Hans. Olga war 20 Jahre in der Nachbarschaftshilfe engagiert und hat Drillinge begleitet. Als diese in die Lehre kamen, habe sie eine neue Aufgabe gesucht und im «solino» gefunden. «Es ist doch einfach wichtig, dass man sich Zeit nimmt für seine Mitmenschen. Dank meiner Frühpensionierung habe ich Zeit, Ressourcen und Kraft dafür. Das geniesse ich sehr.»


Weitere Angebote:

Verknüpfendes Theater

Vier Seniorinnen und Senioren schildern in einem 20-minütigen unterhaltsamen Theaterstück vier verschiedene Geschichten, ein Gefühl: Einsamkeit. Ihre Wege kreuzen sich, sie tauschen sich miteinander aus, unterstützen einander – und ein Stein kommt ins Rollen ...

Im Anschluss ans Theater gibt es eine moderierte Diskussion mit dem Publikum.

Wer möchte, kann sich nach der Veranstaltung für den SMS-Dienst einschreiben. Man erhält während zweier Monaten wöchentlich eine SMS mit Hinweisen auf interessante lokale Anlässe sowie Tipps zu Anlaufstellen oder Podcasts. Bei Bedarf persönliche Auskunft und Beratung.

Dienstag, 3. 9., 14.00 Uhr:
Ref. Kirchgemeindehaus, Gessnerweg 5, Wädenswil

Mittwoch, 18. 9., 14.15 Uhr:
Ref. Kirchgemeindehaus, Dorfstr. 75, Richterswil.

Dienstag, 24. 9., 14.00 Uhr:
Pfarreizentrum, Leepüntstr. 14,
Dübendorf

Teilnahme kostenlos, keine Anmeldung

www.einsamkeit-im-alter.ch

Malreden

«malreden» gibt älteren Menschen die Möglichkeit, sich mit einem einfühlsamen Gegenüber auszutauschen und ein wenig Alltag, Sorgen und Freuden zu teilen. Kostenlos, anonym, vertraulich.

Täglich von 9 bis 20 Uhr:
0800 890 890

www.malreden.ch

Zäme go laufe

Menschen im Alter von 60+ gehen gemeinsam spazieren. Sie machen Bekanntschaften und bleiben körperlich aktiv. Das Angebot ist kostenlos.

www.zämegolaufe.ch