Glauben heute

Hat Gott einen Namen?

«Name ist Schall und Rauch» – dieses -Zitat aus Goethes Faust blieb mir als -Jugendliche bei der Schullektüre haften.

Ich deutete es für mich freihändig um: Namen fand ich nicht so wichtig und konnte sie mir auch schlecht merken. Grosse Namen wiederum waren mir suspekt. Ich beobachtete, dass sie für viele Menschen wie Magnete waren – was ich problematisch fand: Warum immer die gleichen Namen, wenn es doch viele andere Menschen gab und gibt, die Grosses geleistet haben oder faszinieren könnten?

Ein seltsamer Moment lehrte mich, dass Namen Macht bedeuten: Als Doktorandin wollte ich einem Kollegen von der Idee eines Theologen zu einem Bibeltext erzählen. Der Name des Theologen kam mir in jenem Moment grad nicht in den Sinn. Da es mir um die Sache ging, fand ich das nicht weiter schlimm. Statt sich die Idee anzuhören, meinte der Kollege jedoch schnöde: Ohne Namen gibt es diesen Menschen nicht. Und damit interessierte er sich auch nicht mehr für die Sache und liess mich stehen. Der Kurzschluss «was nicht benennbar ist, gibt es nicht», begegnete mir in der Folge hier und dort. Die Begebenheit lehrte mich, mich mit Namen und Begriffen zu wappnen, um Menschen und Dingen ein Existenzrecht zu geben, das sich weniger gut bestreiten lässt.

Ein zweites Lernfeld in Sachen Namen und sorgfältigem Umgang damit bot mir das Unterrichten im Fach Bibelwissenschaft. Hier nun ging es gar um den Namen Gottes. Obwohl Christinnen und Christen bei jedem Vaterunser «geheiligt werde dein Name» beten, merkte ich, dass der Name Gottes vielen Studierenden nicht präsent ist – obschon sogar Jesus von Nazareth den Gottesnamen in seinem Namen trägt. In der hebräischen Namensform heisst Jesus «Jeschua». Die erste Wortsilbe ist die Kurzform für den Gottesnamen «Jahwe». «Jeschua» insgesamt heisst «Jahwe ist Rettung». Mit dem Namen Jesus liegt also ein knappes, starkes Glaubensbekenntnis vor. Oder das Programm, dem sich dieser Jesus bekanntlich konsequent bis in den Tod verpflichtet hat.

Der Spruch «Der Name ist Programm» gefällt mir inzwischen besser als «Name ist Schall und Rauch». In zahllosen Variationen umkreisen biblische Texte das Programm dieses Gottesnamens Jahwe. Im Judentum kennt man den Namen, spricht ihn aber aus Ehrfurcht bewusst nicht aus. Der Name steht dennoch bleibend für diejenige göttliche Macht, die gerechtigkeitssensibel ist, die allen Lebewesen gedeihliche Lebensräume zugedacht hat und Sinnbild nicht für Tod, sondern für Leben sein will.

Die gängige Praxis christlicher Bibelübersetzungen hilft nicht, den Namen Gottes besser wahrzunehmen: Da, wo ihn die biblischen Texte über 6800-mal nennen, ersetzen ihn diese Bibelausgaben durch den Titel «HERR». Diese Praxis verleitet dazu, im Gottesnamen Schall und Rauch und nicht das Programm zu sehen. Umso wichtiger ist mir die Vaterunser-Passage «geheiligt werde dein Name» geworden.

Im echten Leben
Im echten Leben

Kopf Was ging Ihnen bisher durch den Kopf bei der Vaterunser-Bitte «geheiligt werde dein Name»? Haben Sie sich schon einmal mit anderen über mögliche Bedeutungen dieser Gebetspassage ausgetauscht?

Herz Wie wichtig sind Ihnen Namen: Ihr eigener Name, der Name von Liebsten, die Namen Fremder? Welche Geschichten mit Namen haben Sie schon erlebt? Wie haben diese Geschichten Sie geprägt?

Hand Wofür sollte eine glaubwürdige göttliche Macht Ihres Erachtens unbedingt stehen? Lassen Sie sich in Ihrem Leben von diesem «Programm» leiten? Gibt es etwas, was Sie diesbezüglich anpacken möchten?