Aussenansicht der Epi-Kirche

Regionale Story

Ein ökumenisches Kleinod

Die Epi-Kirche ist vielen unbekannt. Dabei hat sie einer aus der Giacometti-Familie entworfen.

Durch die Alabasterscheiben mit der feinen Äderung scheint gedämpftes Licht in den Kirchenraum. Die Wände führen den Blick in einer Rundung nach vorne, die gegenüberliegende Wand im Gegenschwung wieder nach aussen. Der Boden im Innenraum ist mit dem gleichem Zementverbundstein belegt wie draussen auf der Piazza. Dieser Bau, so die Botschaft der Architektur, will für alle sein, die Epi-Kirche verbindet «Innen» mit «Aussen».

Drinnen lauschen die Menschen – einige in Rollstühlen oder mit Helmen geschützt – den Worten des Seelsorgers Toni Halter: «Heute ist das Fest der Heiligen Familie. Das weckt die Vorstellung einer idealen Familie. Doch schon der 12-jährige Jesus ist seinen Weg gegangen. So sehr, dass seine Eltern ihn drei Tage lang suchen mussten!» Selten verläuft das Leben ideal. Auch im Leben der von starker Epilepsie betroffenen Menschen nicht. Sie wohnen im «Wohnwerk» der Schweizerischen Epilepsie-Stiftung, zusammen mit Menschen, die aufgrund anderer Beeinträchtigungen hier betreut werden. Mit ihnen kommen auch Angehörige, Pflegepersonen oder Patientinnen und Patienten der Klinik Lengg gerne in diese Kirche. Die Epi-Kirche steht im Zentrum des Geländes mit medizinischen Einrichtungen, einem Restaurant, einer Spitalschule und einem Stall mit Ziegen, Alpakas und andern Tieren.

Innenansicht der Epi-Kirche mit roten Stühlen

Die Schweizerische Epilepsie-Stiftung, ursprünglich eine Institution der Evangelisch-Reformierten Kirche, hat vor mehr als 50 Jahren diese schmucke kleine Kirche erbauen lassen. Auch die katholische Kirche beteiligte sich finanziell: «An den Ausbau der paritätischen Kirche der EPI leistet der Stadtverband einen angemessenen Beitrag», heisst es in den Archiven.

Die Epi-Kirche ist der einzige Sakralbau des Bergellers Bruno Giacometti. Der Architekt stammt aus einer berühmten Künstlerfamilie: Sein Vater war Giovanni, sein Bruder Alberto Giacometti.

«Die Kirche ist bewusst ökumenisch gestaltet», erklärt Toni Halter. Bei der Bauplanung habe es dafür keine Vorbilder in der Schweiz gegeben. Es gehören Elemente der römisch-katholischen sowie der evangelisch-reformierten Gottesdiensttradition zur Innenausstattung. So gab es von Anfang an einen Tabernakel – schlicht aus Plexiglas gestaltet. Ebenso waren von Beginn weg reformierte wie katholische Seelsorgerinnen und Seelsorger für die Menschen in den verschiedenen Epi-Institutionen da, wobei die reformierten von der Stiftung direkt bezahlt werden, die katholischen von der nahen Erlöser-Pfarrei.

Zum Abschluss des Gottesdienstes greift Organist Roland Dopfer ein weiteres Mal in die Tasten der ausser­gewöhnlich schönen Toggenburger Hausorgel, der ältesten spielbaren aus dem Jahr 1754. In unterschiedlichen Lautstärken und Tonlagen wird mitgesungen. Das grosse, asymmetrische Kreuz im Altarraum steht symbolisch für das, was hier erfahrbar wird: Gott ist für alle da, ganz besonders für jene, deren Leben von Brüchen gezeichnet ist.