Ein König sitzt auf seiner spitzen Krone. Diese pikst ihn

Widmer & Binotto

Wem gehört der Thron?

In diesem Augenblick kürt garantiert irgen­d­-ein Schweizer Medienhaus einen obersten Schweizer oder eine höchste Schweizerin. Obersthöchst in irgendwas. Unser Nachholbedarf an Monarchentum ist unersättlich. Am einen Tag spricht der oberste Hauseigentümer zum Volk, am anderen die höchste Lehrerin.

Auch ausserhalb des eidgenössischen Königtums wuchern die Monarchien. In England herrscht seit kurzem Luke «The Nuke» Littler über das Dart-Imperium. Und in Florida wurde gerade ein Post-Disney-Hofstaat zelebriert. Lago mio!

Wir Menschen pflegen eine urtümliche Leidenschaft für Inthronisationen aller Art. Selbst die Gelegenheit, einen höchstobersten Anarchisten auf den Thron zu setzen, würden wir nicht ungenutzt lassen, süchtig danach, bewundern zu können.

Das katholische Papsttum und seine Zeremonien werden zwar vielerorts als anachronistisch belächelt, dennoch werden fortlaufend neue Päpste installiert, ab und an sogar Päpstinnen. Also sind wir dem Gastropapst hörig und der Stilpäpstin auch. Träumen vom nächsten Literaturpapst. Halten gar standhaft an der Gitarrenvielgötterei fest: Jimi Hendrix, Jeff Beck, Eric Clapton, mindestens 100 an der Zahl. Dazu Keith Richards als Schutzheiliger.

Allerdings: Kein Königtum währt ewig. So begeistert wie wir unsere Stars auf den Thron jubeln, so rabiat holen wir sie wieder runter. Kaum haben wir sie erhöht, entlarven wir ihre Abgehobenheit. War eben noch jedes Wort eine Offenbarung, quält uns jetzt der ewige Bullshit. Unfehlbarkeit wandelt sich in Selbstüberschätzung.

Wem also das Etikett «Hoffnungsträger» aufgedrückt wird, der tut gut daran, unverzüglich sein Rücktrittsschreiben aufzusetzen. Denn: Wer hat den Thron erfunden? – Wir sind es, das verehrungswütige Volk! Und das lassen wir alle, die wir krönen, früher oder später wissen.