
Ruedi Widmer
Auf Start geht’s los: Skirennen schauen … dazu Zeitung lesen … Playlist läuft im Background … Backofen beobachten … Kinder im Augenwinkel … Lockerungsübungen begleitend … smseln simultan … nebenbei Gedanken an Urlaub verschwenden … Zusammenbruch erwarten … und jetzt noch tief durchatmen?
Ich habe gelernt, dass nur Frauen Multitasking können. Aber das muss eine Legende aus dem Muttermärchenland sein, in dem Frauen mit Kindern und Haus und Herd und sonst noch einigem allein gelassen wurden. Multitasking ist ein Schönwort für den Überlebenskampf im Krisenmodus.
Als Jugendlicher war ich überzeugt, meine Auf- nahmefähigkeit beim Vokabeltraining werde durch gleichzeitiges Musikhören entscheidend gesteigert. Heute kann ich eingestehen, das war nicht Multi- sondern Nada-Tasking. Lernverweigerung mit Tonrauschen garniert. Und Speed-Tasking im Schulbus konnte den Vokitest auch nicht retten. Mein Preis für Multitasking ist multipler Qualitätszerfall.
Mit Multitasking verhält es sich wie mit dem Kopieren im vordigitalen Zeitalter, als das Kopiergerät noch der unbestrittene Star des Bürolebens war. Da konnte ich die irrsten Collagen zusammenkleben. Bücher auf den Kopierer gepresst. Schere, Leim, Papier. Wieder ab zum Kopiergerät. Collage kopieren, Tipex raus, Schatten weiss übermalen. Wieder aufs Kopiergerät gelegt. Die Kopie der Kopie der Kopie bewundern. Mit Bildern im grau-schwarz-Bereich und Buchstaben blass ausgefranst. Aber ich hab’s mir vollkommen gedacht. Und ein Exemplar ins Archiv gelegt, damit ich Jahre später auch noch eine vierte Generation des Originals ziehen konnte. Auf der ich mit viel Vorstellungsvermögen die Schemen der Vergangenheit erahnen konnte.
Mich lehrt dieses Gleichnis: Ein ganzes Leben ist eine runde Sache. 12 Zwölftel Leben ein Gmurx.