Vergangenes Jahr konnte ich eine Auszeit nehmen. Ich habe lange über den Ort nachgedacht. Was ich hingegen sofort wusste: Ich wollte mit all meinen Sinnen Erfahrungen machen, es sollte eine spirituelle Reise sein. Für mich bedeutet Spiritualität, dass die Gesamtheit meiner Person eine Rolle spielen darf. Einen Teil meiner Auszeit habe ich schliesslich im Esalen Institute in Kalifornien verbracht. Es ist in den Sechzigerjahren als Teil der amerikanischen Gegenkultur entstanden. Ich war so glücklich dort. Die Natur ist bezaubernd und kraftvoll, wild und sanft zugleich. Ich habe einen Tanz- und Malworkshop besucht. Schlussendlich aber war die Reise nach Amerika vor allem eine innere und innige Reise. Seit 25 Jahren arbeite ich als Seelsorgerin im Flughafen Zürich. Unser dreiköpfiges ökumenisches Team begleitet Mitarbeitende des Flughafens, Reisende, Asylsuchende, auch Besuchende. Bei Katastrophen rund um den Flughafen sind wir als Teil des Care-Teams im Einsatz. In meiner Anfangszeit ereigneten sich 9/11, der Flugzeugabsturz von Überlingen und das Grounding der Swissair. In Extremsituationen erfahre ich mich in meiner Kraft, bleibe ruhig und behalte den Überblick. Das war mir vor meiner Tätigkeit als Flughafenseelsorgerin nicht bewusst. Nach meiner Auszeit fühlte es sich an, wie wenn die mir vertraute Verankerung im Leben in Bewegung geraten wäre. Etwas hatte sich verändert. Nun erkenne ich von Neuem, warum der Flughafen für mich ein wertvoller Arbeitsort ist: Er bietet mir ein lebendiges Umfeld mit hoher Intensität, nahen Begegnungen und viel Unvorhersehbarem. Er ist für mich Schutzraum und lässt mich zugleich Freiheit und Weite spüren. Schliesslich zeigt er mir, wie wunderbar es ist, für Menschen einfach da sein zu können.

Manuela Matt
Regionale Story
«In extremen Situationen bleibe ich ruhig»
Flughafenseelsorgerin Andrea Thali